"Am 21. des Jahres bist Du seit 16 Wochen, vier Monaten oder 112 Tagen nicht mehr in unserer Mitte. Zeit für eine Zwischenbilanz."
(Danke für das Rechnen, Papa!)
Materiell und finanziell gesehen sieht es ausgeglichen aus. Minus eine überteuerte Leggings und meine Lieblingsweste (jaja, ich muss besser auf meine Sachen aufpassen, ich weiß...) Minus ein halbes Vermögen welches für Ausflüge, Verträge und Verkehrsmittel, Lebenshaltungskosten und vielleicht auch ein bisschen für die Haltung des bequemen Lebensstandartes von Bord gegangen ist. Minus den Geburtstag meiner Schwester, den Besuch des Oktoberfestes, besinnlichen Weihnachten, der Eisbahn in Nörten und vorallem, minus Karneval.
Unter dem Plus stehen drei Paar neue Schuhe, vielleicht ein paar Kilos auf der Waage und ein paar nette Instagram Bilder.
Und wie sieht es aus, wenn man die unsichtbaren Dinge abwägt?
Vielleicht minus ein paar soziale Kontakte, mit denen man sich früher oder später eben auseinander lebt.
Minus Ängste, Hemmungen und meiner "das ziehe ich nicht an, das sieht nicht chic aus!" Stimme im Kopf.
Und was dazugewonnen wurde?
Eine zweite Familie, Eltern die dir die Welt erklären und dich schief angucken, wenn du abends um halb elf noch mal das Haus verlässt. Geschwister die sich auf deinen Schoß krümeln um sich etwas vorlesen zu lassen und einen Hund, der es geschafft hat, dass Lissy eine Runde mit ihm geht.
Sprachkenntnis. Die Fähigkeit, Ärzte und Fitnesskurse zu besuchen, Wikipedia Artikel zu lesen und tiefe Gespräche zu führen, alles in Englisch zu regeln.
Eine bestimmte Art der Gleichgültigkeit. dass es egal ist, ob das eine Haar auf dem Instagram Foto jetzt absteht, dass die regenbedingt übergestülpte Plastiktüte über den Skiklamotten nicht besonders sexy ist oder die Leute im Fitnessstudio einen komisch anschauen, wenn man bei manchen Übungen merkwürdig aussieht.
Selbstbewusstsein, Mut, fremde Leute anzusprechen, freundlich auf andere zuzugehen, auch wenn vorhin das Lächeln nicht erwidert wurde, alleine eine Pause im Starbucks zu machen, ohne sich dabei komisch und alleine zu fühlen. Seinen Plan alleine durchzuziehen, auch wenn man dafür abratende Blicke erntet.
Wissen. Akzente zuordnen zu können, über Silvester in Brasilien und das Schulsystem in Italien Bescheid zu wissen. Einblick in andere Kulturen und kanadische Gesetze. Und ich habe das Gefühl, meine geografischen Kenntnisse machen auch Schritte in die richtige Richtung.
Freunde, Kontakte verteilt in ganz Deutschland, wahrscheinlich eine mögliche Bleibe in fast jeder Stadt. Einladungen nach Brasilien und Italien und genug Freunde in Deep Cove, dass man überall auf dem Weg schon WLAN hat.
Vorallem das Wissen, was für tolle Freunde in Deutschland auf einen warten, dass man nicht von jedem vergessen wird und sich Leute ernsthaft für mich interessieren.
Strich unter alles gezogen und ich würde sagen?
Positive Bilanz, hat sich bisher gelohnt, Papa!
Ich bin mir ziemlich sicher, schon jetzt behaupten zu können, dass ein Auslandsjahr die richtige Idee war. Selbst wenn die kommenden 5 Monate grauenvoll werden würden, dank der tollen Erfahrungen bisher war es es auf jeden Fall wert!
Allerdings bin ich ganz optimistisch, dass die folgende Zeit mindestens genauso toll wird.
Es steht wahrscheinlich eine Roadtrip mit meiner Gastfamilie runter in die US an, im April werde ich für ein paar Tagen in die Rocky Mountains fahren und im Juni kommt dann schon ein Teil meiner Familie, mit denen Amerika unsicher gemacht wird und dann? Dann war's das.
Kaum zu glauben wie schnell die Zeit vergeht!
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