Ich bin nun schon über einen Monat wieder in Deutschland. Genug Zeit, um anzukommen und genug Zeit, um ein Urteil zu fällen.
Heute vor einem Jahr, vor genau 365 Tagen stand ich mit Mama und Papa am Flughafen. Habe mich ein letztes Mal in der elterlichen Umarmung der Sicherheit und Geborgenheit befunden. "Bis nächstes Jahr" hörte sich so unvorstellbar lange an.
Und nun?
Ich liege in meinem vertrauten Bett, die selbe Lieblingsbettwäsche wie immer. Saß in der Schule neben Sophie so wie letztes Jahr. Hab mir vegetarisches öko-Abendessen gekocht, habe alle Gewürze noch auf ihren Plätzen gefunden und war anschließend bei der Orchesterprobe. Der Platz an der ersten Klarinette wurde mir freigehalten als hätte ich nie gefehlt. Es ist schon wieder furchtbar spät und die Französisch Hausaufgaben für morgen weisen auch Defizite auf...
Wo ist das Jahr hin?
Der Frage "Na, schon wieder gut eingelebt?" ist kaum auszuweichen. Meine Antwort lautet nein. Nein, es gab nichts 'einzuleben', ich hatte mich nie ausgelebt.
Der erste Tag wurde mit dem Frühstück begonnen, welches ich 10 Monate vermissen musste und der Nachmittag mit dem Sekt und Freunden, die ich 10 Monate lang vermissen musste.
Die ersten Tränen liefen aus Rührung und Ehrfurcht deutschem Vollkornbrot gegenüber und die Zweiten aus Verzweiflung über das langsame, wenn überhaupt verbundene deutsche Dorf-Internet.
Beim ersten ALDI Einkauf erntete ich verstörte Blicke, als ich mit offendem Mund auf die Alkoholflaschen, welche einfach im Supermarkt zwischen den Konserven lagen und vorallem auf ihre Preise starrte und meinen Eltern quer durch Kartoffeln und Bier zurief, wir würden uns ja im Paradies befinden.
Die ersten Feste wurden gefeiert, herrlich, hatte ich das vermisst...
Die ersten Tage am Kiessee wurden genossen und egal wie wunderschön Deep Cove auch sein mag, von der ersten Sekunde an wusste ich, hier ist immernoch mein Zuhause.
Es fühlte sich an, als wäre ich niemals weggewesen.
Ich bin meiner Familie, meinen Freunden und allen höheren Mächten so unendlich dankbar für das Ende welches dieses Jahr, diese Erfahrung, dieses Abenteuer nahm.
Dankbar, dass es mir so leicht gemacht wurde, wieder in das Leben und den Alltag hier reinzukommen, dass ich immernoch meinen Platz hier habe und auch in den Herzen.
Dankbar, dass meine Freunde noch die Personen sind, für die ich sie liebe und dass sie stets Interesse für meine Geschichten zeigen.
Dankbar an meine Allerallerliebsten, dass sie mir helfen Familienfeiern und die Gesellschaft in der Schule auszuhalten und selbst all meine Launen und Stimmungsschwankungen aushalten.
Es ist schön, wieder zu Hause zu sein.
Und was mir das Jahr gebracht hat? Abgesehen von der Möglichkeit zur Top-Beteiligung im Englisch Unterricht und dem Kommentar meiner Oma, ich wäre aber auch ganz schön füllig geworden...?
Ich kann wertschätzten.
Die Schule, die Fachwerkhäuser, das Brot.
Die einfachen Dinge. Mit meinen Eltern zu reden, Freiheiten zu haben, Freunde zum Essen einzuladen. Familie zu haben, mich vernünftig artikulieren zu können. Ich kann es wertschätzten, mit Mama zu Rewe zu fahren und einfach etwas in den Einkaufswagen legen zu können, ohne fragen zu müssen. Vorm Feiern bei Papa im Büro zu stehen und ein Kompliment zu bekommen, sein stolzes Lächeln zu sehen und von ihm in den Arm genommen zu werden. Zeit mit meiner Schwester zu verbringen, ihre Sprüche zu hören. Sie ist so unfassbar groß und selbstbewusst geworden durch das vergangene Jahr.
Es ist wundervoll, wieder zu Hause zu sein. Im wirklichen zu Hause. Wo man ohne BH rumlaufen kann, mal einen Teller im Wohnzimmer stehen lassen kann, auch mal Diskussionen führt aber weiß, man ist füreinander da und stärkt sich den Rücken. Oder wie Sido so schön sagt:
"Und dann öffne ich diese Tür
Schau mich um und da seid ihr
Endlich bin ich wieder hier
Zuhause ist die Welt noch in Ordnung
Hier ist mein Unterschlupf im Krieg
Ihr holt mich runter wenn ich flieg
Ihr seid der Grund warum´s mich gibt
Zuhause ist die Welt noch in Ordnung"
An dieser Stelle würde ich mich gerne auf sehr weise Worte meine Vaters berufen, welche sich auf meinem Post "Ein Jahr im Leben"(hier) bezogen.
Dort beschrieb ich, wie viel in dieses Jahr investiert werden müsste, verglichen mit einem Feld und äußerte meine Angst, es würde mit dem Abflug sowie mit einem Tornado weggeweht und zerstört werden. All das pflügen und säen umsonst?
".....jedoch in einem Punkt teile ich Deine Einschätzung nicht. Du sprichst vom furchtbaren Frost, vom Tornado, und alles sei wie weggeblasen.
Lissy, du hast Deine Ernte noch gar nicht gewogen, ist die letzte Ähre gedroschen, die letzte Fuhre heimgebracht?
Ich denke, du wirst sehr wohl reiche Ernte einfahren, auch nach einem guten Jahr weht bei mir noch der raue Wind über die Stoppel. Du wirst eine üppige Ernte im Herzen tragen, ich freue mich schon darauf, wie sie sich vor mir ausbreitet.
Lissy, du hast Deine Ernte noch gar nicht gewogen, ist die letzte Ähre gedroschen, die letzte Fuhre heimgebracht?
Ich denke, du wirst sehr wohl reiche Ernte einfahren, auch nach einem guten Jahr weht bei mir noch der raue Wind über die Stoppel. Du wirst eine üppige Ernte im Herzen tragen, ich freue mich schon darauf, wie sie sich vor mir ausbreitet.
Zeit Deines Lebens wirst du immer etwas davon in deiner Vorratskammer finden."
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